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Delegationsreise nach Südafrika und Äthiopien mit Schwerpunkt Umwelttechnologie

Mit Südafrika und Äthiopien besuchte die 25 Teilnehmer zählende Delegation unter Leitung der Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut vom 24. bis 30. November 2019 zwei sehr unterschiedliche afrikanische Länder.

Gemeinsam ist beiden Ländern, dass die kürzlich erfolgten Regierungswechsel Anlass zur Hoffnung für eine rasche politische und wirtschaftliche Weiterentwicklung geben. „Unser Besuch in Äthiopien und Südafrika kommt genau zur richtigen Zeit“, betonte die Ministerin in ihrer Ansprache zur Begrüßung der Delegation in Durban. Die von Baden-Württemberg International (bw-i) organisierten Reise setzte mit einem auf Umwelttechnik sowie Automobil, Maschinenbau und Automation ausgerichteten Programm den Schwerpunkt auf für die Regionen besonders interessante Branchen. Die teilnehmenden Umwelttechnikunternehmen ATEC, Bellmer, Industrial Solar, INERATEC, Joswig Ingenieure und Schuko sowie das Fraunhofer IGB als Forschungseinrichtung deckten die Bandbreite von Wassergewinnung und Abwasserbehandlung über Luftreinhaltung bis hin zu Erzeugung und Speicherung Erneuerbarer Energien ab.

Durban, die erste Station der Delegation auf der fünftägigen Reise, ist die größte Stadt der baden-württembergischen Partnerprovinz KwaZulu-Natal und einer der wichtigsten Industrie- und Hafenstandorte Südafrikas. Auf dem Programm stand der Besuch des Produktionsstandorts von Mondi Merebank. Der Papier- und Zellstoffhersteller gehört zum heute international agierenden, börsennotierten Konzern Mondi Group, der 1967 mit der Merebank Mill in Durban gegründet wurde. In den letzten Jahren führte das Unternehmen bereits umfangreiche Maßnahmen durch, um die wasser- und energieintensive Produktion nachhaltiger zu gestalten. In den Gesprächen mit den Teilnehmenden zeigte sich Wayne Simon, Betriebsleiter bei Mondi Merebank, für Technologielösungen zur weiteren Verbesserung der Nachhaltigkeit aufgeschlossen. So stellt die Mitte 2019 in Südafrika eingeführte Steuer auf den Ausstoß von Kohlendioxid einen zusätzlichen Anreiz für das Unternehmen dar, für die Strom- und Wärmeerzeugung verstärkt erneuerbare Energiequellen zu nutzen. Auch im Bereich Wasserrecycling ergaben sich interessante Ansätze für den weiteren fachlichen Austausch. Weitere Gelegenheiten zum Netzwerken boten der Empfang am Abend, zu dem die Provinz KwaZulu-Natal die baden-württembergische Delegation eingeladen hatte, als auch die B2B-Gespräche mit Unternehmen aus der Region am darauffolgenden Tag. Einen Einblick in die südafrikanische Start-up Förderlandschaft erhielten die Unternehmen beim Besuch des Start-up Inkubators Innovate Durban. Innovate Durban unterstützt Start-ups durch finanzielle Fördermöglichkeiten für Produktinnovationen, aber auch durch Workshops und das jährliche „Innovation Festival“, eine der größten Veranstaltungen dieser Art in Südafrika.

Zweite Station in Südafrika war Johannesburg, Hauptstadt der Provinz Gauteng und wirtschaftliches und finanzielles Zentrum Südafrikas. Das Wirtschaftsforum „Baden-Württemberg meets Gauteng“ und die anschließenden Round-Table-Gespräche boten einen vertieften Einblick in die aktuelle politische und wirtschaftliche Situation Südafrikas sowie mögliche Ansätze von Firmenkooperationen. Die Beiträge des Wirtschaftsforums thematisierten weiterhin die für die Zukunft des Landes zentralen Themen, insbesondere die Schaffung von Arbeitsplätzen, die große Bedeutung von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen bei der Überwindung der noch immer extremen Unterschiede bei der Vermögens- und Einkommensverteilung im Land sowie die von der Regierung unter dem Begriff „Broad-Based Black Economic Empowerment“ verfolgte Politik zur wirtschaftlichen Stärkung der schwarzen Bevölkerung. Im nachfolgenden Round-Table-Gespräch „Umwelttechnik“ hatten die Delegationsteilnehmer die Möglichkeit, sich mit den Panelgästen Benoit Le Roy von der South African Water Chamber, Iwalda Bezuidenhout von Aurecon, Gavin Bruggen von WILO Pumps SA und Kevin Tarr-Graham von NUS Consulting zu aktuellen Themen wie Wasserrecycling und CO2-Steuer auszutauschen und erfuhren, worauf deutsche Unternehmen in Südafrika besonders achten sollten. Der sich an das Wirtschaftsforum anschließende Firmenbesuch beim städtischen Abfallentsorger PIKITUP veranschaulichte den großen Nachholbedarf Südafrikas im Bereich Abfallbehandlung, zeigte aber auch positive Ansätze. So besuchten die Delegationsteilnehmer die neben der größten Deponie Johannesburgs gelegene Anlage zur Gewinnung und Verstromung von Deponiegas. Ein Teil des bei der Abfalldeponierung in großen Mengen freigesetzten Treibhausgases Methan wird hier gesammelt und zur Stromerzeugung genutzt, anstatt in die Atmosphäre zu entweichen.

Nach den spannenden Einblicken in Südafrika setzte die Delegation die Reise mit dem Besuch der Hauptstadt Äthiopiens, Addis Abeba, fort. Die Vorträge auf dem „Äthiopisch-Baden-Württembergischen Wirtschaftsforum zum Thema Innovation und Industrie“, unter anderem von Vertretern des äthiopischen Außenministeriums und des Ministeriums für Technologie und Innovation, vermittelten den Delegationsteilnehmern einen Überblick über die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Landes. Die baden-württembergischen Delegationsteilnehmer nutzen im Rahmen des Forums weiterhin die Möglichkeit, sich gezielt mit den geladenen äthiopischen Unternehmensvertretern auszutauschen. Mit rund 110 Millionen Einwohnern ist Äthiopien eines der bevölkerungsreichsten Länder Afrikas, zugleich jedoch auch eines der ärmsten Länder der Welt. Optimistisch stimmt die Aufbruchsstimmung im Land, die sich auch im überdurchschnittlichen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts widerspiegelt. Die Regierung unter Ministerpräsidenten Abiy Ahmed setzte 2018 einen umfassenden Reformprozess in Gang, um das Land zu demokratisieren und die Wirtschaft anzukurbeln. Deutschland unterstützt diesen Kurs und verhandelt derzeit mit Äthiopien über eine Reformpartnerschaft im Rahmen der G20-Initiative „Compact with Africa“. Trotz der positiven Tendenzen stellt die Devisenknappheit des Landes insbesondere für internationale Handelspartner nach wie vor eine große Herausforderung dar.

Auch um der größtenteils jungen Bevölkerung Arbeitsplätze und eine Zukunftsperspektive zu bieten, strebt die äthiopische Regierung durch die Entwicklung zahlreicher Industrieparks die Stärkung des Landes als Produktionsstandort an. Erste Unternehmen fertigen bereits erfolgreich Textilien, Bekleidung und Schuhe für ausländische Märkte an. Beim Besuch der für die Industrieparkentwicklung zuständigen „Ethiopian Industrial Parks Development Corporation“ lag der Fokus auf den für die Industrieparks vorgesehenen Umweltstandards und den erforderlichen Technologien, um diese zu erreichen. Ein weiterer Besuch führte die Delegation zur Reppie Waste-to-Energy Anlage, mit deren Hilfe Addis Abeba die riesigen Müllmengen der 3,4 Millionen Einwohner zu bewältigen sucht. Unmittelbar neben der, zuletzt auf die Größe von 36 Fußballfeldern angewachsenen, offenen Deponie "Koshe" wurde die Anlage im April 2019 in Betrieb genommen. Zukünftig sollen hier rund 80 Prozent der Abfälle der Stadt energetisch verwertet werden. Betreiber der Anlage ist der staatliche Stromversorger Ethiopian Electric Power, der bis zu 30 Prozent des Strombedarfs der Haushalte in Addis Abeba über die Anlage decken will. Das Programm in Äthiopien rundeten Vorträge zu Fördermöglichkeiten von Projekten im Rahmen der deutschen und europäischen Entwicklungszusammenarbeit sowie ein Round-Table-Gespräch mit Vertretern der in Äthiopien tätigen internationalen Unternehmen Voith Group, Otto Group und Unilever ab. Die Erfahrungen der Unternehmen verdeutlichten die große Bedeutung der Weiterqualifikation lokaler Mitarbeiter. So hat beispielsweise Unilever ein spezielles Entwicklungsprogramm aufgesetzt, um den großen Pool an jungen Talenten im Land für das Unternehmen auszubilden. Auch der hohe Stellenwert, den die Industrieparks im Sinne des „One-Stop-Shop-Service“ im Geschäftsalltag von Unternehmen spielt, wurde an verschiedenen Beispielen anschaulich dargestellt.

Zum Abschluss der Delegationsreise wies Dr.-Ing. Hannes Spieth, Geschäftsführer von Umwelttechnik BW, auf die guten Anknüpfungspunkte hin, die sich im Rahmen der Delegationsreise ergaben. Ein Follow-up für den Bereich Umwelttechnik ist bereits in Planung, um die vielen Projektideen zu bündeln und möglichst zügig voranzutreiben.

In Bezug auf die Ergebnisse der Delegationsreise zog auch Ministerin Dr. Hoffmeister-Kraut eine positive Bilanz. Sowohl in Südafrika als auch Äthiopien bestehen gute Geschäftschancen für baden-württembergische Unternehmen. Als weiteres positives Signal für die dynamische wirtschaftliche Entwicklung der Regionen sprach die Ministerin das bereits von rund zwei Dutzend afrikanischen Staaten – darunter Südafrika und Äthiopien – ratifizierte innerafrikanische Freihandelsabkommen AfCFTA (African Continental Free Trade Area) an. Erfreuliches Ergebnis der Delegationsreise war auch, dass die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen KwaZulu-Natal und Baden-Württemberg weiter vertieft werden sollen. Für die Ausarbeitung eines entsprechenden Partnerschaftsabkommens wird im Frühjahr eine Arbeitsgruppe aus KwaZulu-Natal in Baden-Württemberg erwartet.

FOTO: Michaela Gerdes

Autor:Michaela Gerdes
Quelle:UTBW