Fallbeispiel
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Anguss – Rückführung bei der Herstellung von Sicherungsschrauben

Integration einer Granulatmühle in einen bestehenden Prozess zur Verwertung von Kunststoffangüssen
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Kunststoffgranulateinsparung

OBE gehört zu den führenden Herstellern feinmechanischer Metallteile in hohen Stückzahlen. Da bisher eine sehr große Menge an Kunststoffabfällen angefallen ist, hat das Unternehmen nach einer Lösung gesucht, um möglichst viel dieser Abfälle wiederzuverwenden und die Materialeffizienz zu steigern. Durch die Integration einer Granulatmühle in einen bestehenden Prozess wurde dieses Ziel erreicht.

Die Firma OBE mit Hauptsitz in Ispringen im Nordschwarzwald gehört zu den führenden Herstellern präziser, feinmechanischer Metallteile in hohen Stückzahlen. Insbesondere durch die Entwicklung der Brillengelenktechnik und Mikro-Sicherheitsschrauben hat sich das Unternehmen mit dem Geschäftsfeld Optik als Schlüssellieferant der Brillenindustrie etabliert.

Mikro-Sicherheitsschrauben im Größenbereich von M1,2 bis M1,6 aus hochwertigem Edelstahl sind mit einem Sicherheitssystem ausgestattet. Dieses besteht aus hochresistentem und temperaturbeständigem Polyamid, das präzise unter dem Schraubenkopf umspritzt wird. Dies dient dazu, dass sich die Schrauben nicht von alleine lösen können, selbst dann, wenn sie nicht optimal verschraubt wurden. Neben Brillen kommen diese Schrauben auch in Musikinstrumenten, Uhren und elektronischen Geräten zum Einsatz.

Beim Umspritzen der Schrauben verbleiben lediglich 2,6 % des eingesetzten Kunststoffgranulats direkt am Produkt, während die übrigen 97,4 % in den Anguss gehen und als Abfall anfallen. Dementsprechend war bei der jährlichen Steigerung der Schraubenfertigung, ein stetig steigender Materialbedarf und damit verbunden auch eine Steigerung der Menge an Kunststoffabfällen zu beobachten. Daher wurde eine Lösung gesucht, die Kunststoffabfälle wiederzuverwenden und die Materialeffizienz spürbar zu steigern.

Mittels einer Mühle sollten die Angüsse zerkleinert und in Granulatform gebracht werden. Dadurch sollten sie sich einmal, möglicherweise sogar mehrmals, mit der vorhandenen Maschinenausstattung zum Umspritzen von Mikro-Sicherungsschrauben verwenden lassen. Hierfür sollte eine geeignete Granulatmühle in den bestehenden Granulatkreislauf integriert werden.

Zur Realisierung der Idee fanden zunächst bei verschiedenen Mühlenherstellern Mahlversuche statt. Dabei ergaben sich unterschiedliche Korngrößen des Mahlguts sowie unterschiedliche Staubanteile im Mahlgut. Diese Versuchsergebnisse wurden analysiert und mit den Eigenschaften des neuwertigen Kunststoffgranulats verglichen. Mit dem Mahlgut, das der Neuware am nächsten kam, wurden erste Spritzversuche mit den vorhandenen Spritzgussmaschinen durchgeführt. Die bei diesen Versuchen umspritzten Schrauben wurden eingehenden Produkttests unterzogen, um zu prüfen, ob sich am Endprodukt spürbare Veränderungen einstellen. Nachdem diese Untersuchungen zu einem positiven Ergebnis geführt hatten, wurden ausgewählte Kunden mit aus recyceltem Granulat umspritzten Schrauben beliefert. Die ausgewählten Kunden sollten in Praxistests die Ergebnisse der inter - nen Produkttests bestätigen. So konnte nach - gewiesen werden, dass die Verwendung von regranuliertem Kunststoff beim Umspritzen keinen negativen Einfluss auf die Funktion im Endprodukt hat. Durch das Granulieren größerer Chargen von Angüssen beim Mühlenhersteller konnten größere Mengen Mahlgut bereitgestellt werden, um die Verarbeitung unter realen Serienbedingungen zu erproben. Bei diesen Testläufen wurden verschiedene Schwierigkeiten identifiziert, für die nach ein - gehender Analyse nach und nach Lösungen gefunden wurden. Mit der Beschaffung und Inbetriebnahme einer auf diesen Anwendungsfall zugeschnittenen Granulatmühle und der stückweisen Einführung der Verarbeitung des recycelten Kunststoffes konnte die Integration in die Produktion erfolgreich abgeschlossen werden.

Bei einmaligem Granulieren von Kunststoffangüssen wird der Materialbedarf und dadurch auch der Abfallanteil beim Umspritzen von Mikro-Sicherungsschrauben halbiert. Gelingt es, den Kunststoff noch öfter wiederzuverwenden, kann die Materialeffizienz entsprechend noch weiter gesteigert werden.

Durch das Granulieren der Kunststoffangüsse können jährlich über 1,5 t Kunststoffgranulat eingespart werden. Dementsprechend reduziert sich der Kunststoffabfall um die Menge des recyclierten Kunststoffgranulats.

Das Projekt zeigte, dass sich die theoretische Projektplanung gegenüber der praktischen technischen Umsetzung wesentlich einfacher gestaltet, da häufig unvorhergesehene Probleme auftauchen. Hierfür ist es ratsam, von Anfang an Realisierungszeit in ausreichendem Umfang einzuplanen. Es stellte sich zudem heraus, dass es wichtig ist, alle Chargen des recycelten Materials und auch der fertigen Versuchsteile deutlich und zurückverfolgbar zu kennzeichnen. Dadurch lassen sich aus späteren Erkenntnissen die richtigen Schlüsse ziehen.

Zu besonderen Aha-Effekten führten Erkenntnisse über den Einfluss von Granulattrocknung, Temperatur und Restfeuchte, Staubanteil, Rieselfähigkeit sowie möglicherweise vorhandener Restmetallanteile auf die Wiederverwendbarkeit des gemahlenen Kunststoffs. Es wurde daher die Mahlanlage mit großem Aufwand konstruiert, um beim Einmahlen der Kunststoffangüsse entstehende Staubanteile und unter Umständen vorhandene einzelne Schrauben aus dem vorhandenen Mahlgut sicher zu separieren. Die Geometrie des Mahlgutes erwies sich ebenfalls als Herausforderung. Hierbei galt es darauf zu achten, dass das recycelte Material rieselfähig zur Spritzgussmaschine zugeführt werden kann. Bei Einführung der Serienfertigung stellte sich heraus, dass bei dem aus Angüssen gemahlenen Granulat besonderes Augenmerk auf die Trocknung zu richten war, da eine prozesssichere Verarbeitbarkeit unmittelbar mit der Restfeuchte des Materials zusammenhängt. Letztendlich führte die intensive Beschäftigung mit diesen Nebenprozessen zur erfolgreichen Wiederverwendung der Angüsse.

Das im Jahr 1904 gegründete international tätige Familienunternehmen OBE Ohnmacht & Baumgärtner GmbH & Co. KG ist seit 1996 nach ISO 9001 und ISO/TS 16949 zertifiziert und betreibt seit Jahren ein professionelles Umweltmanagement nach ISO 14001 sowie EMAS. Weltweit beschäftigt OBE 450 Mitarbeiter, davon rund 200 am Hauptsitz in Ispringen, und ist mit Tochterunternehmen in Italien, Hongkong und China sowie Repräsentanzen weltweit vertreten. Seit April 2016 hat OBE die bisherige Beteiligung am asiatischen Brillenscharnierhersteller GLOBE Precision Ltd. zu 100 % übernommen. OBE kann zahlreiche Patente im Bereich der Brillenindustrie sein eigen nennen und beweist damit eine große Innovationskraft.

Unzählige Sicherheitsschrauben
Über 100 Mio. Sicherungsschrauben werden pro Jahr gefertigt (OBE Ohnmacht & Baumgärtner GmbH & Co. KG)
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Fertigungsstruktur:
  • Großserienfertigung
Wertschöpfungsaktivität:
  • Entsorgung / Recycling
Ansatzpunkt / Strategie:
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  • Stoffkreislauf / Recycling
Einsparbereich:
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  • Abgas
Amortisationsdauer:
  • strategisch (größer 5 Jahre)