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Projekt RoKKa: Wenn die Kläranlage Klimaschutz kann und Rohstoffe liefert

Kläranlage

Ohne Kläranlagen wären unsere Flüsse mit Pflanzennährstoffen wie Stickstoff und Phosphor, aber auch mit allerlei Schadstoffen überfrachtet. Die Kläranlagen reinigen das Abwasser mit mechanischen und biologischen Verfahren so gut, dass es relativ sauber in unsere Flüsse eingeleitet werden kann. Das freut nicht nur die Fische, sondern auch die vielen Anwohner, die weiter flussabwärts Trinkwasser benötigen.

In diesem Artikel erfahren Sie am Beispiel unseres Pilotprojektes RoKKa, wie Kläranlagen angepasst und erweitert werden können, sodass nicht nur die Abwasserreinigung klimaneutral erfolgt, sondern auch ein hoher Nutzen für den ökologischen Landbau gewonnen werden kann.

RoKKa (Rohstoffquelle Klärschlamm und Klimaschutz auf Kläranlagen) zeigt, wie nachhaltige und klimaneutrale Abwasserreinigung in Zukunft aussehen kann. Das Projekt wird an der kleineren kommunalen Kläranlage in Erbach bei Ulm durchgeführt und demonstriert, dass eine bestehende Anlage durch Anpassungen und Erweiterungen klimaneutral werden kann und zu einer Kreislaufwirtschaft mit Dünger und Rohstoffen beiträgt: Die Kläranlage als Bioraffinerie.

Kläranlage Ulm Steinhäule
Kläranlage Ulm Steinhäule. Quelle: Umwelttechnik BW/Jürgen Schmidtke

Die in RoKKa eingesetzten Verfahren sind auf nahezu jede andere kommunale Kläranlage übertragbar. Als direkter Transferpartner ist das Klärwerk Ulm Steinhäule in das Projekt eingebunden. So wird demonstriert, wie die Techniken auf einer großen Kläranlage umgesetzt werden können, was eine doppelte Strahlkraft für die Region um Ulm ergibt.

Wichtige Faktoren einer klimaneutralen Kläranlage

Damit Kläranlagen klimaneutral werden können und den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden, müssen sie sich folgenden Aufgaben stellen.

  • Energieeinsparung

In Sachen Energieeinsparung und Eigenstromerzeugung wurde in den letzten Jahren schon viel erreicht. Viele Kläranlagen, so auch die Kläranlage Erbach, erzeugen aus dem Klärschlamm Methan, das in einem Blockheizkraftwerk in Strom umgewandelt wird. Immer mehr Kläranlagen haben zusätzlich Photovoltaik-Anlagen und vereinzelt auch Windkraftanlagen installiert, um einen größeren Teil ihres Strombedarfs selbst mit grüner Energie zu decken.

Derzeit produzieren Kläranlagen im Durchschnitt ein Drittel ihres Stromverbrauchs selbst. Zwei Drittel beziehen die Anlagen aus dem Netz. Dabei benötigen Kläranlagen viel Strom, um das Abwasser zu reinigen. In vielen Kommunen ist sie der größte Einzelverbraucher von Strom. Die meisten Anlagen unternehmen derzeit große Anstrengungen, weitere Photovoltaik-Module auf der Kläranlage zu installieren, um diese Quote zu verbessern. Für die Erreichung der Klimaneutralität der Kläranlage sind diese Anstrengungen leider nicht ausreichend.

  • Reduktion von Emissionen

Eine Kläranlage hat auch direkte Emissionen von Treibhausgasen, die während des Betriebs entstehen. Dabei handelt es sich um die Emission von Methan und Lachgas. Wo diese Emissionen überall auf der Kläranlage auftreten, wurde in letzter Zeit in einigen Studien untersucht.

Emissionen
Quelle: Gruber 2022, Aqua und Gas

In der Publikation von Gruber (2022) sind die Quellen eingezeichnet und durch dickere Pfeile die Stellen markiert, an denen die Emissionen am stärksten auftreten. Messprogramme zur Erfassung dieser Emissionen für eine Kläranlage sind noch zu wenig vorhanden. Vor allem wurden die meisten Messungen nicht in Deutschland durchgeführt.

Man kann aber heute grob abschätzen, dass der CO₂-Fußabdruck einer Kläranlage zu einem Drittel aus der Strommenge besteht, die eine Kläranlage zusätzlich beziehen muss. Ein weiteres Drittel wird durch Methanemissionen aus verschiedenen Verfahrensschritten und das dritte Drittel durch Lachgasemissionen verursacht. Diese entstehen vor allem in der biologischen Reinigungsstufe. Der erste Schritt im Rahmen von RoKKa ist die Messung und Bilanzierung der Lachgasemissionen im Klärwerk Ulm und im Klärwerk Steinhäule. Damit wird transparent, wie eine Kläranlage optimiert werden muss, um klimaneutral zu werden.

Großes Ziel Kreislaufwirtschaft

Ein weiterer Aspekt für die Zukunft wird sein, die Kläranlagen nachhaltiger zu gestalten und in eine Kreislaufwirtschaft zu überführen. Wir haben heute keine geschlossenen Nährstoffkreisläufe. Selbst der ökologische Landbau, dem dies besonders wichtig ist, schafft dies nicht. Zwar werden alle anfallenden Nährstoffe zur Düngung wieder auf die Felder gebracht. Eine entscheidende Menge kommt aber nicht zurück. Das ist der Teil, den wir Menschen mit der Nahrung zu uns nehmen und der dann in der Kläranlage landet. Um den Nährstoffkreislauf zu schließen, müsste der Dünger auch aus der Kläranlage regional und nachhaltig für die (Bio-)Landwirtschaft zurückgewonnen werden.

Rückgewinnung von Nähr- und Rohstoffen

Im Projekt RoKKa wird versucht, sowohl Nachhaltigkeit als auch Klimaneutralität in Kombination zu betrachten. Die zentrale Frage ist: Wie kann eine nachhaltige und gleichzeitig klimaneutrale Kläranlage aussehen? Das schädliche Klimagas Lachgas entsteht bei der Umwandlung von Stickstoff in der Kläranlage. Stickstoff ist aber auch ein wertvoller Dünger. Verbessern wir die Klimabilanz einer Kläranlage, indem wir den Stickstoff aus einem Prozessschritt entfernen und damit die Gesamtstickstoffmenge und damit auch die Lachgasemissionen reduzieren? Dabei produzieren wir einen Dünger, der bereits heute in der Landwirtschaft eingesetzt werden darf.

Im Projekt RoKKa wurde dies in zwei verschiedenen Anlagen umgesetzt. Eine Anlage kommt von einem Start-up-Unternehmen SolarSpring und die andere Anlage vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB. Beide Prozesse laufen so ab, dass keine Verunreinigungen aus dem Abwasser in den Stickstoff-Dünger gelangen können. Das Projekt wird zeigen, welches der Verfahren umweltfreundlicher und wirtschaftlicher betrieben werden kann. Die wieder gewonnenen Nährstoffe sind:

  • Stickstoff

Nachdem die Gaspreise durch den Krieg in der Ukraine enorm gestiegen sind, ist auch Stickstoff als Dünger nicht mehr so leicht und günstig auf dem Markt verfügbar. Vor allem die Herstellung von Stickstoff nach dem Haber-Bosch-Verfahren benötigt eine fossile Energiequelle. Im Projekt soll mit der Universität Kaiserslautern in einer Nachhaltigkeitsbilanz untersucht werden, welche Art der Herstellung nachhaltiger ist: die Rückgewinnung auf der Kläranlage oder die Neuproduktion mit Erdgas in einer Chemiefabrik.

Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten, da eine Fabrik die Prozesse im großtechnischen Maßstab sehr effizient betreibt. Auf jeden Fall würde eine regionale Produktion von Stickstoffdünger in der eigenen Kläranlage eine Gemeinde und ihre Landwirte resilienter gegenüber Preisschwankungen und internationalen Konflikten machen.

  • Phosphor

Ein weiterer wichtiger Bestandteil ist die Phosphorrückgewinnung. Vor allem im ökologischen Landbau wird Phosphor als Mineral perspektivisch fehlen. Im Gemüseanbau wird sehr viel Phosphor entzogen und der Ökolandbau will aus Nachhaltigkeitsgründen nur im Nährstoffkreislauf düngen. Das heißt, fossile Phosphordünger sind nicht erlaubt. Der Phosphor, der über den Menschen in die Kläranlage gelangt, wird dem Boden mit der Zeit fehlen.

In RoKKa wird ein Verfahren zur Phosphorrückgewinnung demonstriert, das ebenfalls vom Fraunhofer IGB entwickelt wurde. Dabei wird Phosphor als MAP-Dünger (Magnesium-Ammonium-Phosphat) zurückgewonnen. Dieser ist seit diesem Jahr als Düngemittel für den ökologischen Landbau in der EU zugelassen. Damit können Biobauern ihre Erträge mit einem für die Pflanzen sehr gut verwertbaren Dünger steigern. Dies ist ein wichtiger Baustein, wenn es darum geht, die Zahl der ökologisch wirtschaftenden Betriebe im Land deutlich zu erhöhen.

  • Kohlenstoff

Das letzte Element ist Kohlenstoff. Es zeigt, wie das Kohlendioxid, das in der Kläranlage durch den Faulgasprozess entsteht, genutzt werden kann. Faulgas besteht zu 60 % aus Methan und zu 40 % aus Kohlendioxid. Aus diesem Grund ist das Gas kein Ersatz für Erdgas. Durch Abtrennung des CO₂ kann es jedoch auf Erdgasqualität gereinigt und als grünes Biogas in das Erdgasnetz eingespeist werden.

Im Projekt wird ein innovatives Verfahren zur CO₂-Abtrennung von der Firma Deukum erprobt. Das gewonnene CO₂ wird in einem kleinen Reaktor zu einer chemischen Grundchemikalie weiterverarbeitet. Damit soll gezeigt werden: Auch eine solche Weiterverwendung ist möglich.

Algenreaktor

Im Zentrum der Rückgewinnung der Nährstoffe steht ein Algenreaktor. Hier können fast alle Stoffströme genutzt werden. Der Algenreaktor braucht Kohlendioxid, Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff, aber auch Abwasser. Mit ihm ist es möglich, aus den Nährstoffen des Abwassers Algen zu züchten. Die Algen, die im Projekt RoKKa vom Fraunhofer IGB gezüchtet werden, können als Düngerzusatz verwendet werden und Pflanzen im Wachstum stärken.

Algen und CO₂-Nutzung sind eher Zukunftsthemen. Interessant ist trotzdem, sie einmal vor Ort in einer Bioraffinerie einzusetzen und zu zeigen, wie Prozesse Synergien schaffen können. Greifbar und ausgereift sind die Techniken zur Rückgewinnung von Phosphor und Stickstoff als Düngemittel. Es lohnt sich also, sich mit der klimaneutralen und nachhaltigen Kläranlage der Zukunft zu beschäftigen. Sie muss heute für morgen gedacht werden.

Allgenbioreaktor - Frauenhofer IGB
Algen-Bioreaktor (Bild: Fraunhofer IGB)

 

Autor:Jürgen Schmidtke
Quelle:Umwelttechnik BW