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Best Practice CO₂-Recycling: Reise zu Steelanol (Teil 1)

Ethanol aus CO2
Ethanol aus CO₂ (Umwelttechnik BW/Paulina Leiman)

Spannender als sich über Innovationen zu unterhalten, ist es, sie aus der Nähe zu erleben. Wie etwa das CCU-Leuchtturmprojekt „Steelanol“ als Teil der Dekarbonisierungsstrategie von LanzaTech und ArcelorMittal im belgischen Gent. Solche bioökonomischen Innovationen sind ein zentrales Element in Richtung einer nachhaltigen industriellen Transformation und von besonderer Relevanz für CO2-emissionsintensive Branchen.

Besuch in Gent bei Steelanol

Im Herbst 2024 fand im Rahmen des Bioökonomie-Projektes Innovation Hub CCUBIO mit Vertreter:innen baden-württembergischer Unternehmen und des Umweltministeriums eine Reise nach Belgien statt. Ziel war das vorgenannte Best Practice Projekt „Steelanol“ von LanzaTech und ArcelorMittal anzuschauen. Auf dem Weg wurde Station in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Brüssel gemacht. Teil des Programms war der Vortrag von Stefanie Hiesinger, Referatsleiterin "Erforschung und Einsatz CO₂-armer Technologien" in der Generaldirektion Klima der Europäischen Kommission. Es ging um Bedeutung und Notwendigkeit tragfähiger Business-Cases für die Umsetzung der nachhaltigen Transformation der Industrie und die Frage:

Wie können wirtschaftlich tragbare Modelle entwickelt werden, um die Herausforderungen der CO₂-Reduktion zu bewältigen und Unternehmen zur Investition in die Bioökonomie zu ermutigen?

Stefanie Hiesingers Vortrag fokussierte auf umsetzbare Modelle zur CO₂-Reduktion und die Förderung von Investitionen in die Bioökonomie. In der anschließenden Diskussion wurde sieben interessante Aspekte diskutiert.

1 | Infrastruktur und Speicherung

Ein zentraler Punkt der Diskussion war die Notwendigkeit einer funktionierenden Infrastruktur für den Transport und die Speicherung von CO₂. Besonders für Industrien, die unter CO₂-Bepreisung stehen, sind effiziente Speicherlösungen unverzichtbar. Diese stellen jedoch ein erhebliches wirtschaftliches Risiko dar. Hiesinger betonte, dass es nicht ausschließlich Aufgabe des öffentlichen Sektors sei, diese Probleme zu lösen. Die Europäische Kommission sei aber intensiv daran beteiligt, Lösungswege zu finden. Ein Workshop mit verschiedenen Stakeholdern wurde als Beispiel genannt, um gemeinsame Strategien zur Absicherung von Risiken zu entwickeln. Besonders der Austausch mit der Versicherungsbranche wurde als möglicher Ansatz hervorgehoben, um Unternehmen Planungssicherheit zu bieten.

2 | Gesetzliche Rahmenbedingungen

Ein Industrievertreter brachte in der Diskussion die Herausforderungen durch unklare gesetzliche Rahmenbedingungen zur Sprache. Unternehmen seien sich oft unsicher, ob es sich lohnt, in die Bioökonomie zu investieren, wenn regulatorische Vorgaben fehlen oder sich ständig ändern. Hiesinger stimmte dieser Einschätzung zu und unterstrich, dass die EU-Strategie darauf abzielt, Unternehmen mehr Orientierung zu geben. Ein konkretes Beispiel dafür ist der "Storage Atlas", der Transparenz über mögliche CO₂-Speicherorte sowie Transportmöglichkeiten schafft und damit Unternehmen bei ihren Entscheidungen unterstützt.

3 | CO₂-Umwandlung und Nutzung

Ein weiteres Thema war die Umwandlung von CO₂ in Stoffe wie Ethanol. Dies sei laut Hiesinger zwar technisch machbar, aufgrund hoher Kosten im großindustriellen Maßstab aber nur eingeschränkt wirtschaftlich. Hiesinger unterstrich, dass die EU-Strategie auf drei Säulen basiert: Speicherung, Umwandlung und Nutzung von CO₂. Dabei sei die Speicherung zwar limitiert, aber unverzichtbar für das Erreichen der Klimaziele. Gleichzeitig spiele die Nutzung von CO₂ (CCU) eine wichtige Rolle zur Reduzierung von Emissionen.

4 | Akzeptanz der Speicherung

Ein Teilnehmer sprach die unterschiedliche Akzeptanz von Onshore- und Offshore-Speicherung in Europa an. Hiesinger erklärte, dass es hier unterschiedliche Ansätze gebe: Einige Länder bevorzugen Onshore-Lösungen, andere setzen stärker auf Offshore-Speicherung. Die Wahl hänge von geologischen Gegebenheiten, gesetzlichen Rahmenbedingungen und der lokalen Akzeptanz ab. Offshore-Speicherung sei zwar oft vorzuziehen, da sie weniger Widerstand hervorrufe, bringe aber höhere Kosten mit sich.

5 | Transformation der Industrie

In der Diskussion wurde betont, dass es nicht darum gehe, Unternehmen pauschal vorzuschreiben, wie sie ihre Emissionen senken sollen, sondern ihnen technologische Alternativen anzubieten. Unternehmen, die frühzeitig investieren, können sich Wettbewerbsvorteile sichern. Als historisches Beispiel wurde die Ablösung der Dampfschiffe durch motorisierte Schiffe im Gütertransport genannt, die als Modell für die Transformation der Industrie dienen könnte.

6 | Wirtschaftliche Chancen und Risiken

Ein weiterer Diskussionspunkt war die Notwendigkeit, Anreize zu schaffen, um die Transformation der Industrie zu unterstützen. Besonders die chemische Industrie wurde hervorgehoben: Unternehmen wie BASF hätten in der Vergangenheit Maßstäbe gesetzt und könnten auch in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Gleichzeitig wurden jedoch die Risiken von Produktionsverlagerungen ins Ausland diskutiert, falls regulatorische oder wirtschaftliche Bedingungen Investitionen in Europa unattraktiv machen.

7 | Fachkräftemängel als Herausforderung

Auch die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte war ein Thema und wurde als entscheidender Erfolgsfaktor für die Transformation genannt. Der Arbeitsmarkt sei angespannt, und es werde zunehmend schwierig, neue Mitarbeitende zu gewinnen. Dies gelte nicht nur für hochqualifizierte Bereiche, sondern auch für grundlegende Berufe. Ohne geeignete Gegenmaßnahmen könne dies die Transformation der Industrie weiter erschweren.

Fazit

Die Diskussion zeigte eindrucksvoll die vielschichtigen Herausforderungen. Tragfähige Business-Cases sind essenziell, um Unternehmen zur Investition in die Bioökonomie zu bewegen. Neben technologischen Lösungen müssen regulatorische Klarheit, Infrastruktur und wirtschaftliche Anreize geschaffen werden. Auch die Verfügbarkeit von Fachkräften wird eine zentrale Rolle spielen. Nur wenn alle diese Faktoren berücksichtigt werden, kann der Übergang zu einer nachhaltigeren Industrie gelingen.

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Das Bild zeigt einen bestuhlten Saal mit Publikum, das auf eine Leinwand schaut, die Industrieschornsteine zeigt
Reise zu Steelanol in Gent (Umwelttechnik BW/Paulina Leiman)
Autor:Paulina Leiman
Quelle:Umwelttechnik BW | Bioökonomie