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Impulspapier „Biobasierte Materialien" des Rates für technologische Souveränität

Was unser Team Bioökonomie dazu meint

Der Rat für technologische Souveränität hat ein neues Impulspapier veröffentlicht. Darin zeigt er das Potenzial von Materialien auf, die auf Pflanzen, Mikroorganismen oder anderen natürlichen Quellen basieren. Für uns als Team Bioökonomie von Umwelttechnik BW ist das ein spannender Beitrag zur aktuellen Diskussion, denn genau an dieser Schnittstelle arbeiten auch wir mit Fokus auf Industrie und Kreislaufwirtschaft.

Was uns besonders gut gefällt

Biobasierte Materialien als Chance für mehr Unabhängigkeit

Das Papier macht überzeugend deutlich: Wenn wir mehr Materialien aus erneuerbaren Rohstoffen herstellen, müssen wir weniger fossile Rohstoffe wie bspw. Erdöl und Erdgas importieren. Das stärkt die Unabhängigkeit unserer Industrie. Gerade jetzt ist das ein entscheidender Vorteil in geopolitisch unsicheren Zeiten. Diese Verknüpfung von Umwelt, Wirtschaft und Sicherheit halten wir für besonders gelungen. Besonders eindrucksvoll ist das Beispiel Anilin: Dieser Stoff kann bereits im Tonnenmaßstab biotechnologisch hergestellt werden und ersetzt petrochemische Grundstoffe – ein zentraler Schritt zur Substitution fossiler Ressourcen.

Viele konkrete Beispiele aus dem Alltag

Positiv hervorzuheben ist, dass das Papier nicht bei theoretischen Ansätzen stehen bleibt, sondern zahlreiche Anwendungen biobasierter Materialien aufzeigt, beispielsweise in Verpackungen, Textilien oder Baustoffen. Das macht das Thema auch für Unternehmen, die sich erst am Anfang befinden greifbar. Gerade im Verpackungsbereich sehen wir großes Potenzial: Biokunststoffe wie PLA (Polymilchsäure) haben im Vergleich zu erdölbasierten Kunststoffen meist eine deutlich bessere CO₂-Bilanz.

Forschung als Motor für Veränderung

Ob Enzyme, Mikroorganismen oder Hightech-Prozesse mit Computermodellen: Natur und Technik können gemeinsam viel bewegen. Entscheidend ist, Forschung und Innovation voranzutreiben, um neue Lösungen in die Anwendung zu bringen.

Ein Beispiel: Die Herstellung von Vitamin B2 durch Biokatalyse reduziert im Vergleich zur klassischen Synthese die CO₂-Emissionen, die Produktionskosten und die entstehenden Abfälle erheblich. In Baden-Württemberg wird im Projekt „BioSinn“ der Hochschule Reutlingen unter anderem an funktionalen biobasierten Verpackungen geforscht. Auch die Universität Hohenheim ist führend in der Entwicklung lignocellulosebasierter Wertstoffe.

Die wirtschaftliche Relevanz ist ebenfalls belegt. Laut McKinsey könnten biobasierte Chemikalien und Materialien bis 2040 weltweit ein Marktvolumen von bis zu 100 Mrd. US-Dollar erreichen.

Was wir kritisch sehen

Die politischen Rahmenbedingungen bleiben vage.

Das Papier benennt zwar Hürden, etwa die strengen Vorgaben bei Verpackungen, doch es fehlen konkrete Vorschläge, wie sich diese abbauen lassen. Ein Beispiel ist die EU-Verpackungsrichtlinie, die Materialien ohne etablierte Recyclinginfrastruktur faktisch ausschließt.

Die gesellschaftliche Perspektive kommt zu kurz.

Biobasierte Materialien sind nicht nur ein technisches Thema, sondern betreffen uns alle – als Konsument:innen, Bürger:innen und Beschäftigte. Hier hätten wir uns stärkere Impulse zur gesellschaftlichen Einbindung gewünscht. Wie kann man die Menschen mitnehmen? Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf Regionen und Arbeitsplätze? Zwar verweist das Papier auf Reallabore, konkrete Umsetzungsaussagen fehlen jedoch.

Globale Verantwortung bleibt außen vor.

Wer über neue Rohstoffe spricht, muss auch die Frage stellen, woher sie stammen und unter welchen Bedingungen sie produziert werden. In dieser Hinsicht bleibt das Papier stark auf Deutschland fokussiert. Dabei ist es unerlässlich, auch die weltweiten Auswirkungen zu berücksichtigen, beispielsweise bei der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen oder bei internationalen Lieferketten. Ein fairer Zugang zu Biomasse ist eine Grundvoraussetzung für glaubwürdige Nachhaltigkeit. Dabei spielen auch Flächenkonkurrenzen eine Rolle, wie sie etwa beim Import von Zuckerrohr oder Palmöl entstehen.

Für die strategische Weiterentwicklung biobasierter Materialien ist es essenziell, die Verfügbarkeit von Biomasse sowohl regional als auch global realistisch zu erfassen und Nutzungskonkurrenzen transparent zu analysieren. Nur auf dieser Basis kann technologische Souveränität glaubwürdig und nachhaltig erreicht werden.

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Link zum Impulspapier: https://www.bmbf.de/SharedDocs/Downloads/DE/2025/impulspapier-biobasierte-materialien.pdf?__blob=publicationFile&v=1

 

Autor: Paulina Leiman
Quelle: Umwelttechnik BW | Bioökonomie