Start für Bioraffinerie-Projekt zur Gewinnung von Rohstoffen aus Abwasser
Forschungsprojekt untersucht neue Wegen der bioökonomischen Wertschöpfung
Stuttgart/Büsnau. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg finanziert das Projekt KoalAplan, das den Funktionsumfang einer Kläranlage um Möglichkeiten zur Rohstoffrückgewinnung aus dem Abwasser erweitert. Das Projekt leistet einen positiven Beitrag zur Klimaneutralität, da die erhaltenen Produkte fossile Rohstoffe und energieintensive Verfahren ersetzen.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB), der Technischen Universität Hamburg, der Universität Stuttgart und der Technischen Universität Clausthal arbeiten gemeinsam mit Umwelttechnik Baden-Württemberg (UTBW), der Landesagentur für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz, an einem Projekt zu neuen Prozessen der Abwasserreinigung. Das Projekt KoalAplan („Kommunales Abwasser als Quelle für Ammoniumstickstoff, Wasserstoff und Bioplastik – die Bioraffinerie Büsnau“) hat das Ziel, sowohl Rohstoffe aus kommunalem Abwasser zurückzugewinnen als auch einen positiven Beitrag zur Klimaneutralität zu leisten.
In einer klassischen Kläranlage wird der im Abwasser enthaltene Stickstoff biologisch abgebaut. Mikroorganismen wandeln die Stickstoffverbindungen zu gasförmigem Stickstoff um, der ungenutzt in die Atmosphäre entweicht. Hierfür benötigen die Mikroorganismen organischen Kohlenstoff, der entsprechend nicht mehr als Rohstoff zur Verfügung steht, sondern als CO2 und Klärschlamm ausgetragen wird.
„Wir umgehen die biologische Stickstoffentfernung in unserem Projekt und wollen zeigen, dass wir einen Großteil der organischen Fracht aus dem Abwasser rückgewinnen können“, so Prof. Dr. Harald Horn, Leiter der DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut und Professor am KIT.
Das geplante Verfahrenskonzept besteht aus chemischen, physikalischen und biologischen Prozessschritten. Ein Kernstück des gesamten Prozesses ist der Einsatz von Mikrosieben, um den partikulären organischen Kohlenstoff bereits nach der Vorklärung aus dem Abwasserstrom abzutrennen. Im Hauptstromverfahren wird der Ammoniumstickstoff in der Folge mittels Ionentauscher entfernt und so ein Produkt erzeugt, das als Düngemittel eingesetzt werden kann. Die abfiltrierten Feststoffe sowie der Primärschlamm werden im Nebenstromverfahren – der eigentlichen Bioraffinerie – durch saure Hydrolyse (Dunkelfermentation) zunächst in organische Säuren umgewandelt, dabei entstehen auch Biowasserstoff und CO2. Das Hydrolysat wird anschließend filtriert und mittels mikrobieller Elektrolyse zu Wasserstoff (und wiederum CO2) umgesetzt. Wasserstoff findet vielfältige Anwendung in der chemischen Industrie und gilt als zukünftiger Energieträger. Die Gasströme aus mikrobieller Elektrolyse und Dunkelfermentation werden in einer Machbarbarkeitsstudie in einem biotechnologischen Prozess für die Produktion wertvoller Chemikalien verwertet, dabei wird auch das enthaltene Kohlenstoffdioxid wieder fixiert.
Die Stoffströme, die u. a. Carbonsäuren enthalten, werden in einem Fermentationsverfahren zu Polyhydroxyalkanoaten (PHA), einem natürlichen Biopolymer, umgesetzt. "Aus Abfallstoffströmen stellen wir das mikrobielle Biopolymer PHA her, ein Ausgangsmaterial für biologisch abbaubare Verpackungsmaterialien und können damit persistente Kunststoffe aus fossilen Quellen ersetzen", so Dr.-Ing. Susanne Zibek, Gruppenleiterin Bioprozesstechnik am Fraunhofer IGB.
Die Erprobung des neuen Verfahrenskonzepts erfolgt an der Kläranlage der Universität Stuttgart. Peter Maurer, Technischer Betriebsleiter des Lehr- und Forschungsklärwerks der Universität Stuttgart: „In Büsnau erproben wir innovative Verfahren für die Abwasserbehandlung. Wir mussten uns bereits oft gegen die vorherrschende Meinung durchsetzen, wurden aber meist mit Erfolg belohnt.“
Das Projekt untersucht auch, welche weiteren Auswirkungen die Neuerungen mit sich bringen. „Ob wir mit dem Verfahren einen positiven Beitrag für die Umwelt und das Klima erreichen, wird eine detaillierte Ökobilanz zeigen“, so Dr. Andrea Hille-Reichel, Projektleiterin am Karlsruher Institut für Technologie. Mithilfe einer Klima- und Energiebilanz kann das Verfahren dem klassischen Kläranlagenbetrieb gegenübergestellt werden.
„Wir vernetzen die Akteure vor Ort und suchen nach regionalen Abnehmern für die erzeugten Produkte. Wir sind von dem Marktpotenzial und der Wirtschaftlichkeit des Verfahrens überzeugt“, so Dr.-Ing. Anette Zimmermann, Leiterin des Teams Umwelttechnik bei Umwelttechnik BW.
Das Projekt KoalAplan soll das Potenzial zum Recycling in der Abwasserbehandlung aufzeigen. Die projektierte Gewinnung der Produkte Wasserstoff, Bioplastik und Stickstoff-/Phosphordünger kann den derzeitigen Ressourcenverbrauch deutlich reduzieren. Parallel werden energieintensive Verfahren ersetzt und die Emissionen vermindert. Daher wurde das Projekt durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als wichtiger Teil der Landesstrategie „Nachhaltige Bioökonomie für Baden-Württemberg“ ausgezeichnet.
Mit der Landesstrategie „Nachhaltige Bioökonomie für Baden-Württemberg” unterstützt die Landesregierung den Wandel zu einer auf erneuerbaren und biologischen Ressourcen beruhenden rohstoffeffizienten und kreislauforientierten Wirtschaft. Dies dient dem Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen und stärkt den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg.
Das Projekt wird durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg im Rahmen des EFRE-Förderprogramms „Bioökonomie – Bioraffinerien zur Gewinnung von Rohstoffen aus Abfall und Abwasser – Bio-Ab-Cycling“ gefördert.
Weitere Informationen zum Projekt erhalten Sie unter folgendem Link:
Das Projekt wird durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg gemeinsam mit der EU-Kommission im Rahmen des EFRE-Förderprogramms „Bioökonomie – Bioraffinerien zur Gewinnung von Rohstoffen aus Abfall und Abwasser – Bio-Ab-Cycling“ gefördert.