Fallbeispiel
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Dünnwandtechnologie im technischen Kunststoffspritzguss

Entwicklung eines innovativen Fertigungsverfahrens im Kunststoffspritzguss
200 %

Materialeinsparung

350 kg/a

Kunststoffeinsparung

50 %

Energieeffizienzsteigerung

41 %

Heizleistungseinsparung

61 %

Effizienzsteigerung (Antriebsleistung)

24 %

Materialeinsparung

Die Hans Fleig GmbH ist auf die Konstruktion und Herstellung von Spritzgießwerkzeugen spezialisiert. Das Unternehmen hat ein innovatives, technisches Fertigungsverfahren für dünnwandige Bauteile mit extrem langen Fließwegen entwickelt. Dies war so vorher nicht möglich und ist nun ein Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens. Zudem trägt die Technologie zur Ressourceneffizienz des Unternehmens bei.

Kostenvorteile

14.600 Euro/Jahr durch die Weiterentwicklungen der Spritzgießanlagen

Die Hans Fleig GmbH ist auf die Konstruktion und Herstellung von Spritzgießwerkzeugen spezialisiert. Zu den Kernkompetenzen des Unternehmens zählt dabei der technische Kunststoffspritzguss für weltweit agierende Partner aus der Automobil-, Elektronik-, und Lebensmittelindustrie sowie der Medizintechnik.

Dünnwandige Bauteile mit extrem langen Fließwegen waren bisher durch Spritzgießen nicht herstellbar, sondern wurden oft im Tiefziehverfahren, einem Thermo-Umformverfahren, gefertigt. Bei großen Stückzahlen erweist sich dieses Verfahren im Vergleich zum Spritzguss jedoch als arbeits- und kostenintensiv und erfordert einen hohen Energieverbrauch. Vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wurde das Unternehmen daher mit der Entwicklung der Dünnwandtechnologie im Kunststoffspritzguss betraut.

Ziel war die Entwicklung eines innovativen, technischen Fertigungsverfahrens für dünnwandige Bauteile mit extrem langen Fließwegen und damit die Schaffung eines Alleinstellungsmerkmals. Die Dünnwandtechnologie im Kunststoffspritzguss sollte sich insbesondere bei großen Stückzahlen durch hohe Maßgenauigkeit, absolut reproduzierbare Prozesse und in der Regel kürzere Zykluszeiten auszeichnen. Zudem sollte die Technologie zur Ressourceneinsparung beitragen und eine transparente Kostenstruktur garantieren.

Für das neue Verfahren sollte die komplette Wertschöpfungskette von der Konstruktion über die Heißkanaltechnik, Formenbau, Kunststofftechnik bis hin zur Anlagentechnik der Spritzgießautomaten überarbeitet werden. Im Vergleich zum Standardspritzguss sollte für das Verfahren eine spezielle Werkzeug- und Heißkanaltechnik eingesetzt werden. Mit hinsichtlich Einspritzdynamik, -zeiten und -drücken modifizierten Spritzgießautomaten sollte bei technischen Kunststoffen mit einer Wandstärke von einem Millimeter ein Fließweg von 250 Millimetern erreicht werden.

Um eine bestmögliche Basis für diese technische Herausforderung zu schaffen, wurde die komplette Prozesskette von der Werkzeugkonstruktion, den Heißkanalsystemen bis hin zum Formen- und Anlagenbau in separate Entwicklungseinheiten untergliedert.

Im Bereich der Heißkanalsysteme wurden die Heißkanäle im Hause Fleig modifiziert und speziell gemäß den Projektanforderungen optimiert. Dabei wurde eine angusslose Fertigung angestrebt. Die nötige Qualität und Prozesssicherheit werden im Wesentlichen durch eine optimale Werkzeugtemperierung, Entlüftungen, Segmentierungen und ausreichend dimensionierte Querschnitte der Massekanäle erreicht. Die richtige Positionierung der Temperaturfühler im System überwacht die Schmelze und verhindert die thermische Schädigung des Kunststoffs.

Die Modifizierung und Weiterentwicklung der Spritzgießautomaten erfolgte zusammen mit der Dr. Boy GmbH & Co. KG aus Neustadt/ Fernthal und umfasste maßgeblich die Einspritzdynamik, den Druckverlauf und die Energieeffizienz. Die inzwischen patentierte Entwicklung, das Differenzialeinspritzen, ermöglicht wesentlich höhere Einspritzgeschwindigkeiten, ein absolutes Muss in der Dünnwandtechnologie. Durch den Einsatz des ebenfalls patentierten EconPlast-Systems werden aus Heiz- und Antriebsleistung 51 % der Energie gegenüber den herkömmlichen Systemen eingespart.

Eine der größten Herausforderungen war die Modifikation der Ausgangsmaterialien, den Kunststoffen, insbesondere hinsichtlich Fließfähigkeit und Temperaturbeständigkeit. Denn mit Glasfaser verstärkte Kunststoffe und Flammschutzausrüstungen wirken sich negativ auf die Fließfähigkeit aus. Durch die Unterstützung von Lieferanten und Herstellern verfügt Fleig nun über eine interne Datenbank mit sogenannten Easy-Flow-Kunststoffen. Diese erstreckt sich über verschiedene Produktgruppen. Nach mehr als 4.000 Entwicklungsstunden konnte das Projekt erfolgreich abgeschlossen und die Technologie zur Serienreife geführt werden.

Das Potenzial der entwickelten Dünnwandtechnologie kann an zwei Beispielen verdeutlicht werden. Bisher wurden in der Medizintechnik Laserschweißfolien für Befeuchterkammern mit hohem Aufwand durch Folienextrusion und Stanzen hergestellt und manuell nachbearbeitet. Der große Verschnitt sowie die hohe Ausschussmenge in Folge von Spannungen innerhalb der Folien durch den Stanzprozess waren unwirtschaftlich. Bereits die ersten Muster der Dünnwandtechnologie bestanden alle Schweißversuche erfolgreich. Messungen ergaben ein nahezu spannungsfreies und damit auch im realen Einsatz langlebigeres Bauteil. Es konnte eine Materialeinsparung von rund 200 %, dies entspricht 350 kg Kunststoff pro Jahr, realisiert werden, da kein Verschnitt wie beim Stanzen anfällt. Durch die hohe Qualität entfallen sämtliche kosten- und energieintensiven Nacharbeitsschritte der einstigen Stanzteile. Eine Steigerung der Energieeffizienz von rund 50 %, dies entspricht ca. 0,75 kW je Stunde/Anlage, wird u. a. durch den Einsatz eines modifizierten Spritzgießautomaten erreicht.

Ein weiteres Beispiel ist das patentierte Heckklappensystem „soft open-soft close“ der Daimler AG. Das neue Smart-Drive-Heckklappenschloss ist die Antwort auf steigende Kundenanforderungen an Akustik, Baugröße, Gewicht, Kostenoptimierung und modulare Bauweise. Das Heckklappenschloss basiert auf einem neuen Sperrwerk, welches die vom Elektroantrieb aufzubringenden Öffnungskräfte soweit reduziert, dass auf ein aufwändiges Verzahnungsgetriebe verzichtet werden kann. Eine Kunststoffspule aus Polyamid mit lediglich 0,4 mm Wandstärke und einem Elastizitätsmodul kleiner 1.000 MPa ersetzt metallische Komponenten, verringert die Öffnungsenergie und reduziert störende Geräusche beim Entriegeln des Schlosses.

Im Allgemeinen erreicht Fleig durch die Weiterentwicklungen der Spritzgießanlagen bei den Heizleistungen eine Einsparung von 41 % gegenüber der Bestandsanlage, bei der Antriebsleistung gar eine Effizienzsteigerung von 61 %. Dies entspricht bei einem Dreischichtbetrieb einer durchschnittlichen jährlichen Einsparung von rund 14.600 Euro. Schließlich reduziert sich mit dem Einsatz von Heißkanalsystemen durch die angusslose Fertigung der Materialverbrauch um bis zu 24 %.

Umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in der gesamten Wertschöpfungskette garantierten die erfolgreiche Serieneinführung der Dünnwandtechnologie, die sich im Grenzbereich des technisch Machbaren bewegt.

Heute konstruiert und baut Fleig Spritzgießwerkzeuge nach eigenen Vorgaben. Technische Finessen, modifizierte Heißkanalsysteme, weiterentwickelte Spritzgießautomaten und spezielle Easy-Flow-Kunststoffe ermöglichen die Umsetzung von Kundenwünschen mit Wandstärken nahe der Folientechnik. Fleig arbeitet dabei eng und partnerschaftlich mit seinen Kunden sowie Maschinen- und Anlagenbauern zusammen. So wird für jede Kundenanwendung eine optimale Lösung gefunden. Der Einsatz von Heißkanalsystemen ermöglicht eine materialsparende angusslose Fertigung. In Verbindung mit der Miniaturisierung der Bauteile trägt dieses Fertigungsverfahren maßgeblich zur Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz bei.

Die Hans Fleig GmbH wurde im Jahr 1968 von Hans Fleig gegründet. Konstruktion, Formenbau und technischer Kunststoffspritzguss zählten von Anfang an zu den Dienstleistungen des Schwarzwälder Unternehmens.

In den 1980er Jahren erfolgte die Spezialisierung auf technische Kleinteile, überwiegend für die Automobil- und Elektronikindustrie. Mit der ersten Betriebserweiterung in 2006 wurde ein wichtiger Grundstein für Wachstum und Innovation gelegt.

Fleig integrierte neue Fertigungslinien zur Produktion von Zündspulenkörpern, Komponenten für das Gurtschloss, die AirbagAnsteuerung, das Umspritzen von Magneten für die Start-Stopp-Automatik sowie Vollautomaten zur Montage von O-Ringen für Power Train.

In Folge steigender Nachfrage erweiterte das Unternehmen in 2015 erneut und verdoppelte somit seine Fertigungs- und Montagekapazitäten. Dabei wurden neueste energetische Kenntnisse und Richtlinien umgesetzt, insbesondere im Beleuchtungsbereich sowie der Kühlwasser- und Kompressoranlage.

Mit der Dünnwandtechnologie verfügt das Unternehmen über ein Alleinstellungsmerkmal und zählt international zu den Technologieführern. Aktuell beschäftigt das Schwarzwälder Erfolgsunternehmen 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Hans Fleig GmbH wurde u. a. mit dem Gütesigel des Stifterverbandes „Innovativ durch Forschung“ ausgezeichnet und in 2017 für den „Großen Preis des Mittelstandes“, verliehen durch die Oskar Patzelt Stiftung, nominiert.

Produktionshalle mit Teilansicht Spritzguss
Teilansicht Spritzguss (Hans Fleig GmbH)
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Fertigungsstruktur:
  • Großserienfertigung
Wertschöpfungsaktivität:
  • Entwicklung / Konstruktion
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  • Verarbeitungsprozess
Ansatzpunkt / Strategie:
  • GreenTech BW
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  • Produktinnovation
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  • Werkzeuginnovation
Einsparbereich:
  • Energie
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  • Material
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  • Kunststoffe
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  • Abgas
Amortisationsdauer:
  • strategisch (größer 5 Jahre)