Fallbeispiel
100 Betriebe Stagebild grauer Hintergrund

Einfach gezielt abschalten – effizientere Werkzeugmaschinen durch Analyse

Bedarfsgerechte Komplettabschaltung von Anlagen
136 MWh/a

Stromreduktion

34 t/a

CO2-Reduktion

Voith ist ein global agierender Technologiekonzern der sich eine hohe Ressourcen- und Energieeffizienz zum Ziel gemacht hat. Durch eine Energiewertstromanalyse hat das Unternehmen einige Potenziale zur Stromeinsparung aufgedeckt, die schnell umgesetzt wurden. So werden beispielsweise Maschinen mit hohem Stand-By-Energieverbrauch im Nichtbetriebsfall komplett abgeschaltet.

Kostenvorteile

  • 24.000 Euro durch das Pilotprojekt
  • davon 13.000 Euro durch den geänderten Betrieb einer Maschine

Als global agierender Technologiekonzern sieht sich Voith in der Verantwortung, an allen Standorten weltweit effizient mit Ressourcen und Energie umzugehen. Dabei verbindet das Unternehmen ökologisches Handeln mit ökonomischen Prinzipien und leistet so nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz, sondern schafft zugleich einen messbaren wirtschaftlichen Mehrwert. Der Energieverbrauch ist dabei eine der wesentlichen Stellgrößen. So verbrauchte Voith an seinen Standorten weltweit im Geschäftsjahr 2015/16 452.294 MWh Energie und emittierte dabei 150.537 t CO2-Äq. Die daraus resultierenden Energiekosten betrugen 40,3 Mio. Euro.

Bereits im Jahr 2008 begann Voith mit dem Aufbau eines Expertenteams im Bereich Ecological Business Management (EBM). Dessen Aufgabe es ist, Methoden zur Verbesserung der Energie- und Ressourceneffizienz zu entwickeln und an den Standorten einzusetzen. Ambitionierte Ziele und die konsequente Umsetzung der identifizierten Maßnahmen führten bis heute zu deutlichen Einsparungen: so konnten seit 2008 der umsatzbezogene Energieverbrauch um 23 % und der absolute Energieverbrauch um 20 % verringert werden. Am Stammsitz in Heidenheim ging der absolute Energieverbrauch in diesem Zeitraum sogar um 37 % zurück.

Standen in den Anfangsjahren Infrastrukturprojekte (Beleuchtung, Heizung, Belüftung usw.) im Vordergrund, verlagerte sich der Projektfokus im Laufe der Zeit mehr und mehr in Richtung der Produktionsprozesse. Deren Verbräuche werden beim Anlagen- und Maschinenbauer Voith wesentlich durch Werkzeugmaschinen bestimmt.

Die Energiewertstromanalyse ist eine Weiterentwicklung der Wertstromanalyse aus dem Lean Management. Ziel der Wertstromanalyse ist es, Durchlaufzeiten zu verringern und Bestände durch das Vermeiden von Verschwendung zu reduzieren. Verschwendung ist dabei als nicht zur Wertschöpfung beitragende Tätigkeit definiert und umfasst beispielsweise Überproduktion, Lagerhaltung/ Bestände, unnötigen Transport, unnötige Bewegung, Ausschuss/Nacharbeit, ineffiziente Herstellungsprozesse oder Warten. Messgrößen sind Zeit und Geld. Dabei werden bei einem Prozessdurchlauf die zur Produkterstellung direkt beitragenden Zykluszeiten als wertschöpfend bezeichnet, die nicht zur Produkterstellung direkt beitragenden Leerlaufzeiten als nicht wertschöpfend („schadschöpfend“). Dementsprechend ist es das Ziel der Energiewertstromanalyse, den Energiebedarf im Herstellungsprozess und der gesamten Fabrik durch das Vermeiden von Energieverschwendung zu reduzieren. Messgrößen sind dabei die Leistung und der Energieverbrauch sowie die Energiekosten.

Mit Unterstützung der Fakultät Maschinenbau und Werkstofftechnik der Hochschule Aalen wurden in einem Pilotprojekt, von Oktober 2012 bis Februar 2013, drei Werkzeugmaschinen (WZM) auf ihre Energieeffizienz hin analysiert: zwei Portalfräsmaschinen sowie eine Hobelmaschine. Dabei führte ein interdisziplinäres Team von Maschinenführern, Meistern, EBM-Experten und dem Projektpartner innerhalb von zwei Arbeitswochen folgende Messungen durch:

  1. Messung der einzelnen Betriebszustände der WZM Ziel: Vergleich der unterschiedlichen Leistungsaufnahmen je Zustand
  2. Messung der Einzelverbraucher der WZM im betriebsbereiten Zustand Ziel: Identifikation der Grundlastverbraucher
  3. Messung der Einzelverbraucher der WZM im Produktivbetrieb Ziel: Analyse der prozessanhängigen Leistungsaufnahme sowie das Verhalten der Grundlastverbraucher im Verhältnis zum betriebsbereiten Zustand
  4. Vermessung des Luftschnitts, d. h. vergleichende Messung mit und ohne Werkstück Ziel: Identifikation des wertschöpfenden Energieanteils sowie energetisch kritische Betrachtung des Fertigungsprozesses auf der jeweiligen WZM

Die Auswertung der Messergebnisse zeigte erstens, dass rund ein Drittel des Gesamtenergieverbrauchs bei den untersuchten Maschinen außerhalb des Produktivbetriebs anfiel. Der Energieverbrauch im betriebsbereiten Zustand (inkl. Stand-by) variierte zwischen 26 % und 33 %. Weitere 2 bis 6 % entfielen auf den Zustand „Steuerung Aus“ (lediglich Hauptschalter eingeschaltet, vergleichbar „Not-Aus“-Schaltung).

Zweitens ließen sich, entsprechend der einschlägigen Fachliteratur, schnell drei Haupttreiber identifizieren, die für den Großteil (80 %) des gesamten Energieverbrauchs verantwortlich waren: das Kühlsystem, die Hydraulik und die Hauptspindel. Allein das Kühlsystem (Kühlung, Kühlschmierstoffaufbereitung und -versorgung) verbrauchte dabei mehr als die Hälfte der Energie. Bei einer der Fräsmaschinen lag der Anteil sogar bei 69 %. Auf die Hydraulik entfielen etwa 20 %, auf die Hauptspindel zwischen 5 und 10 % des Gesamtenergieverbrauchs. Dies erklärt auch den hohen Energieverbrauch der WZM im betriebsbereiten Zustand, denn die Mehrheit der Aggregate ist bereits im Zustand „Stand-by/betriebsbereit“ aktiviert.

Drittens verdeutlichen die Ergebnisse das signifikante Potenzial, das sich durch einfaches Abschalten der Haupttreiber erreichen lässt, sobald die WZM nicht genutzt wird, also insbesondere bei längeren Leerzeiten, während des Wochenendes oder in den Betriebsferien.

Auf Basis der Analyseergebnisse wurden für alle drei WZM Sofortmaßnahmen definiert und umgesetzt. So wurde beispielsweise für die Anlage mit dem höchsten Energieverbrauch die Komplettabschaltung im Nichtbetriebsfall beschlossen. Dazu wird der an der WZM vorhandene Notausschaltknopf benutzt. Da die jeweiligen Maschinenführer und Meister von Beginn an Teil des Projektteams waren, konnten in der Praxis häufig geäußerte Bedenken und Ängste vor der Abschaltung und dem Wiederhochfahren einer WZM präventiv aufgegriffen und ausgeräumt werden.

Insgesamt konnte Voith durch die Sofortmaßnahmen im Pilotprojekt den Stromverbrauch um rund 136 MWh reduzieren und emittiert nun ca. 34 t weniger CO2 pro Jahr. Das Pilotprojekt brachte dem Unternehmen damit Einsparungen von 24.000 Euro. Allein 13.000 Euro davon entfielen auf den geänderten Betrieb einer einzigen Maschine.

Vor allem aber bestätigte das Pilotprojekt ein enormes Potenzial für den Gesamtkonzern, von dem Umwelt und Unternehmen gleichermaßen profitieren können: knapp 8 % des Gesamtenergieverbrauchs im Unternehmen sind so nach Hochrechnungen verschwendet. Das entspricht einem Kostenblock von rund 3,2 Mio. Euro.

Kontinuierliche Messungen von Werkzeugmaschinen sind mittlerweile Stand der Technik. Doch die systematische Analyse nach Komponentengruppen ist aktuell noch selten anzutreffen. Publikationen hierzu findet man derzeit noch überwiegend in der industrienahen Forschung. Zudem wird die Methodik vorrangig in der Serienfertigung eingesetzt, während der Voith-Ansatz auf die Einzel- und Kleinserienfertigung im Anlagen- und Maschinenbau zielte.

Seit dem erfolgreichen Test im Rahmen des Pilotprojekts 2013 ist die Energiewertstromanalyse kontinuierlicher Teil des EBM-Toolsets. Als „Eye-Opener“ dient die Analyse auch dazu, das Thema Energieeffizienz aus neuer Perspektive zu betrachten und die Kolleginnen und Kollegen an den Standorten entsprechend zu sensibilisieren. Ein Handlungsleitfaden und entsprechende Schulungen gewährleisten die Übertragbarkeit der Methode auf andere Standorte. Die Analyse weiterer Maschinen, Anlagen und Prozesse ist bereits in Vorbereitung.

Außerdem lässt sich das im Pilotprojekt in der Produktion angewandte Verfahren in gleicher Weise auch in anderen Produktlebensphasen einsetzen. So lassen sich zusätzliche Einsparpotenziale während der Entwicklung identifizieren und auch die Kunden profitieren durch geringere Verbräuche und eine entsprechende Verbesserung ihrer Umweltbilanz.

Nicht zuletzt bietet die digitale Vernetzung im Rahmen der Industrie 4.0 die Möglichkeit, die Datensammlung und das Datencontrolling zu vereinfachen. Gleichzeitig ergeben sich durch die Digitalisierung weitere innovative Möglichkeiten zur Verringerung des Energie- und Ressourcenverbrauchs. Zum Beispiel könnten sich in einer vernetzten Fertigungswelt die Haupt- und Nebenaggregate so lange im Stand-by befinden, bis sie von der vorherigen Fertigungsstation reaktiviert werden und so stets nur die jeweilige Nachfolgemaschine just-in-time in Fertigungsbereitschaft versetzt wird.

Seit 150 Jahren inspirieren die Technologien von Voith Kunden, Geschäftspartner und Mitarbeiter weltweit. Gegründet 1867 ist Voith heute mit rund 19.000 Mitarbeitern, 4,3 Mrd. Euro Umsatz und Standorten in über 60 Ländern der Welt eines der großen Familienunternehmen Europas. Als Technologieführer setzt Voith Maßstäbe in den Märkten Energie, Öl & Gas, Papier, Rohstoffe und Transport & Automotive.

Firmengebäude
Die Voith-Zentrale in Heidenheim an der Brenz. (Voith GmbH & Co. KGaA)
Tags
Fertigungsstruktur:
  • Großserienfertigung
Wertschöpfungsaktivität:
  • Reparatur / Wartung
Ansatzpunkt / Strategie:
  • Energiekonzept
  • ,
  • Dämmung / Isolation
  • ,
  • Lean Management
  • ,
  • Wertstromanalyse
Einsparbereich:
  • Energie
  • ,
  • Abgas
Amortisationsdauer:
  • operativ (kleiner 1 Jahr)