Fallbeispiel
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Materialflusskostenrechnung in der Variantenfertigung

Materialflusskostenrechnung im Filterschlauch-Fertigungsbereich für Entstaubungsanlagen – Ermittlung und Verortung von Einsparpotenzialen

Die Junker-Filter GmbH beschäftigt sich mit der Verarbeitung und Anwendung von textilen Filtermedien im Umfeld der Filtertechnik. Das Unternehmen hat eine Materialflusskostenrechnung durchgeführt, um herauszufinden, was der tatsächliche Materialverbrauch und die damit einhergehenden Kosten sind. Die MFCA legte einige Potenziale für Einsparungen offen, die in Zukunft angegangen werden können.

Die Junker-Filter GmbH ist am Filtermarkt als Unternehmen bekannt, das in der Lage ist, Sonderlösungen für komplexe filtrationstechnische Herausforderungen zu entwickeln und spezifische Lösungen in Kooperation mit Großanlagenbauern umzusetzen. Historisch resultiert hieraus sowohl eine enorme Vielfalt an Qualitäten als auch an Ausführungsvarianten. Darüber hinaus hat sich bei der Junker-Filter GmbH, bedingt durch die vielen verschiedenen Anwendungsgebiete, ein enormes Portfolio an technischen Textilien für die Filtration angesammelt.

Die Junker-Filter GmbH unterliegt als textiler Filterkonfektionär einem Markt, der sich insbesondere dadurch kennzeichnet, dass der Produktpreis sehr stark von hohen Material-, d. h. Ressourcen-, Anteilen geprägt ist. Hierbei sind nicht nur die textilen Filtermedien zu beachten, sondern auch Zusatzmaterialien und Hilfsstoffe, wie Polyurethan-Gießmassen, -Streichmassen, Kleber und Dichtungen.

Resultierend aus ersten Erfahrungen mit der Methode der Materialflusskostenrechnung (Material Flow Cost Accounting, MFCA) wurde im Rahmen einer studentischen Abschlussarbeit im Bereich der Filterschlauchproduktion eine MFCA durchgeführt. Ziel dieser Analyse ist es, detailliertere Erkenntnisse zum tatsächlichen Materialverbrauch und den damit einhergehenden Kosten zu erhalten.

Die MFCA bildet den gesamten Wertschöpfungsprozess innerhalb des Unternehmens auf einer Energie- und Materialstromebene ab. Durch diese Transparenz werden Hot Spots der Materialverschwendung offengelegt und können, sowohl physikalisch als auch monetär, quantifiziert werden. Ausgehend von dieser neuen Informationslage können Entscheidungen zur Prozessoptimierung gezielt unterstützt werden, da der Fokus mit Hilfe der gewonnen Erkenntnisse auf das größtmögliche Einsparpotenzial gelegt werden kann.

Weiterhin schafft die durch die MFCA erzeugte Visualisierung des gesamten Herstellungsprozesses ein besseres Verständnis für das System und erleichtert das frühzeitige Erkennen von Schwachstellen und prozessinternen Risiken.

Die Analysen sollen weiterhin dazu genutzt werden, für die Produkte der Junker-Filter GmbH einen Carbon Footprint zu ermitteln und bereitzustellen. Es wird davon ausgegangen, dass solche Angaben in Zukunft auch im B2B-Bereich eine größere Rolle spielen werden.

Zunächst erfolgte eine IST-Aufnahme des Prozesssystems. Dabei wurden alle relevanten Arbeitsschritte bei der Herstellung der Filterschläuche in einem Modell skizziert und miteinander in Verbindung gebracht. Hierfür wurde vor Ort am Shopfloor der Wertstrom Schritt für Schritt verfolgt. Bei Unklarheiten wurde das zuständige Personal hinzugezogen. Aus dem so gewonnenen ersten groben Eindruck der Produktion wurde mit Hilfe der vom Land Baden-Württemberg kostenlos bereitgestellten Software bw!MFCA ein Modell des Prozesses erstellt, das als Grundlage für die weitere Analyse diente. Aus den verfügbaren Daten sowie durch Erhebungen und Stichproben wurden Informationen über den Materialfluss für einen speziellen Auftrag gesammelt. In Zusammenarbeit mit der Einkaufsabteilung wurde dem ermittelten Materialstrom anschließend der entsprechende monetäre Wert zugeordnet.

Kopfansätze für Filterschläuche
Filterschlauch mit gegossenem Kopf (Junker-Filter GmbH)

Die durchgeführte MFCA legte für den konkret untersuchten Auftrag Materialverluste von 39,8 % der durch den Auftrag verursachten Kosten offen. Der Tubingline-Prozess, in dem der Schlauchkörper entsteht, hatte hierbei den größten Anteil. Da die Schläuche im Endlosverfahren produziert werden, fallen prozessbedingt beim Wechsel einer Materialrolle Verluste an. Aufgrund der hohen Materialkosten für das Produktionsmaterial entsteht hier der größte Wertverlust, besonders bei kleinen Losgrößen, was große Auswirkungen auf die Kalkulation der Aufträge hat. Der bisherige Gedanke, dass Reste im Betriebsablauf und bei anderen Aufträgen weiterverwendet werden, konnte so nicht bestätigt werden. Daraus folgt die Empfehlung über ein effizienteres Management der Reststoffe nachzudenken.

Die Anwendung der MFCA hat sich für die Junker-Filter GmbH bewährt und zahlreiche Ansatzpunkte für Verbesserungsmaßnahmen im Rahmen des bereits laufenden KVP-Projekts geliefert. Als besonderer Vorteil erwies sich dabei die streng strukturierte Vorgehensweise, die zu Erkenntnissen über den Produktionsablauf geführt hat, die aus den betrieblichen Erfassungssystemen bisher nicht ersichtlich waren.

Deshalb wurde nun ein Team ins Leben gerufen, das mit der Methode der MFCA die wichtigsten Bereiche im Unternehmen weiter analysiert und auch die Energie- und Materialverluste bei Produkten mit unterschiedlichen Losgrößen bewerten wird. Dabei sollen die verschiedenen Prozesse als Grundschema mit den möglichen Varianten modular modelliert werden, damit bei Bedarf für jede Variante eine Analyse durchgeführt werden kann. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen für verschiedene interne Zwecke verwendet werden, wie beispielsweise die Optimierung der Wertschöpfung durch Verringerung des Verlusts bzw. für die Optimierung des Layouts oder anderer Prozessparameter. Aufbauend auf dem Materialflussmodell der MFCA, soll auch die Berechnung von produktbezogenen CO2- Fußabdrücken ermöglicht werden. Die MFCA wird so zum quantitativen Kern einer Gesamtstrategie des Unternehmens, bei der kontinuierliche Kosteneinsparungspotenziale ermittelt werden, eine CO2-Bilanz der Produkte erstellt wird und daraus KVP-Projekte abgeleitet werden. Ressourceneffizienz wird hier als eine Daueraufgabe, auch zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, verstanden.

Nicht zu unterschätzen ist die Stärkung der innerbetrieblichen Kommunikation, die durch solche Projekte entsteht. An der Umsetzung waren seitens der Junker-Filter GmbH die Abteilungen Produktion, Arbeitsvorbereitung, Forschung und Entwicklung, Einkauf und Vertrieb beteiligt. Daher war es möglich, sehr viele verschiedene Blickwinkel zu berücksichtigen und die bestmöglichen Lösungen zu erarbeiten. Darüber hinaus hat es sich bewährt, diese Vielzahl an Abteilungen in das Projekt zu integrieren, um eine hohe Akzeptanz der Lösungswege sicherzustellen.

Die Junker-Filter GmbH mit insgesamt rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beschäftigt sich seit über 50 Jahren mit der Verarbeitung und Anwendung von textilen Filtermedien im Umfeld der Filtertechnik.

Das Produktportfolio der Junker-Filter GmbH umfasst vielfältige Anwendungsgebiete, wie beispielsweise den Einsatz von textilen Filtermedien im Bereich der Fest-Flüssig-Trennung und der Luftreinhaltung. Weitere Anwendungsgebiete sind Absorptions-/Lufttrocknersysteme für die Kfz-Industrie im Bereich der Premium SUV, sowie Öl-Absorptionsfilter basierend auf textilen Filtermediensystemen und Kombikerzenfilter. Des Weiteren bietet die Junker-Filter GmbH kundenbezogene, unterschiedlichste Filtersystemlösungen für viele Applikationen an.

Tags
Fertigungsstruktur:
  • Kleinserienfertigung
  • ,
  • Großserienfertigung
Wertschöpfungsaktivität:
  • Produktionsplanung / -steuerung
Ansatzpunkt / Strategie:
  • Prozessinnovation
  • ,
  • Prozessoptimierung
  • ,
  • Stoffkreislauf / Recycling
  • ,
  • Materialflusskostenrechnung MFCA
Einsparbereich:
  • Material
  • ,
  • Kunststoffe
Amortisationsdauer:
  • taktisch (1 bis 5 Jahre)